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Roland Salz                                                                      
                                                                      Meditationen über Architektur

XX. Der skulpturale Schmuck des Langhauses und die Glasfenster

 

Wie wir gesehen haben sind die Wände des Straßburger Langhauses, ganz im Sinne gotischen Stilempfindens, weitestmöglich in Fensterflächen aufgelöst. Praktisch der gesamte Bereich zwischen den Wandpfeilern von Seiten- und Hochschiff ist durchlichtet. Damit ergibt sich für das Langhaus ein ganz anderer Raumeindruck als das noch beim Südflügel des Querhauses der Fall war, wo die Fensterfläche gegenüber dem Nordflügel zwar schon wesentlich vergrößert ist, aber immer noch große undurchsichtige Mauerpartien verblieben sind.

          Die Wirkung, die das elegante, homogene und lichtdurchflutete Langhaus auf den Betrachter ausübt, wird aber nun noch dadurch intensiviert, daß sämtliche Fenster, genau wie in Querhaus und Chor, mit Glasmalereien ausgefüllt sind. Ein Großteil von ihnen ist im Original erhalten und läßt uns so noch heute die ursprünglichen Beleuchtungsverhältnisse des Innenraums erleben.

          Es führt hier zu weit, auf die verschiedenen motivischen Zyklen und Einzelwerke einzugehen, die wir in den Raumteilen des Münsters sehen können; sie würden eine eigene Beschreibung verdienen. Nur soviel sei hier gesagt: die Gesamtheit der Straßburger Glasfenster ist in sich nicht homogen und war es auch nie. Wir finden Fenster aus fast allen Epochen. Die ältesten sind spätromanisch, mit Anklängen an den byzantinischen Stil, und stammen aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts; sie wurden noch aus der Vorgängerkirche übernommen. Der Großteil der Fenster ist in verschiedenen hochgotischen Stilrichtungen angefertigt, entstanden im 13. und frühen 14. Jahrhundert. Einige Fenstern, z.B. in der heutigen Laurentiuskapelle, wurden schon zur Bauzeit aus anderen, teilweise heute nicht mehr bestehenden Straßburger Kirchen ins Münster übernommen. Im 19. und - wie wir am Beispiel des Apsisfensters gesehen haben - auch noch im 20. Jahrhundert wurden eine Reihe von Fenster ergänzt, denn viele Stücke waren den Wirren der Französischen Revolution, der Bombardierung von 1870 oder dem 2. Weltkrieg zum Opfer gefallen.

 Für skulpturale Ausschmückungen bietet das Langhaus, angesichts des Fehlens großer freier Mauerpartien, wenig Raum. An den Kapitellen der Mittel- und Seitenschiffpfeiler zeigt sich das für die französische Hochgotik typische naturalistische Blattwerk, dessen stilistische Weiterentwicklung sich im Bauverlauf des Langhauses von Ost nach West verfolgen läßt. Die Schlußsteine der Gewölbejoche sind mit Masken skulptiert, die nach Osten und Westen blicken.

          Einer aufwendigen bildhauerischen Bearbeitung sind in den drei östlichen Jochen die Zwickel oberhalb der Arkadenbögen des Triforiums unterzogen worden, in den vier westlichen Jochen dagegen diejenigen der Blendarkaden an den Fenstersockeln der Seitenschiffe. Dieser Übergang markiert den bereits erwähnten kleinen Bruch in der Entstehung des Langhauses. Er geht einher mit einer ab dem vierten Joch leicht verkürzten Jochlänge (Ost-West-Ausdehnung). Sie ist auf eine Planänderung zurückzuführen: das Langhaus sollte, entgegen den ursprünglichen Vorstellung, doch an den zur Bauzeit noch bestehenden alten Westbau des Münsters anschließen.

          Die über hundert miniaturhaft skulptierten Zwickel in den Triforien bzw. Seitenschiffsockeln gelten als qualitativ sehr hochstehende Arbeiten. Die dargestellten Szenen entstammen jedoch den unterschiedlichsten kirchlichen und weltlichen Bereichen, so daß eine übersichtliche Zusammenfassung ihrer Inhalte - und oft überhaupt ihre Deutung - sehr schwer fällt. Dazu kommt das Problem, daß die Skulpturen in den Triforienzwickel vom Kirchenschiff aus praktisch nicht im Detail erkennbar sind, wohingegen diejenigen in den Arkaden der Fenstersockel oftmals schon reichlich "abgegriffen" und somit verschliffen sind.

 

 

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