Pisa © Roland Salz 2000 - 2015
Roland Salz                                                                      
                                                                      Meditationen über Architektur

XII. Gang durch die übrigen Zimmer (Teil 2: Schlafbereiche der Gastgeber und Studio von Edgar jr.)

 

Von dem langen Gang, der den Bereich der Gastgeber erschließt, gehen am Ende zwei Türen ab. Eine führt geradeaus in das erste Obergeschoß des Turmteils, das kleinere von den beiden Schlafzim- mern, in den Grundrissen manchmal als „Mr. K.“ bezeichnet, manchmal als dressing room. Seine Ausstattung besteht aus einem Einzelbett, einem Einbauschrank, einem ebenfalls fest eingebauten Schreibtisch und dem offenen Kamin. Der Schreibtisch ist in die Südwestecke des Zimmers gestellt, unmittelbar vor die schlanke, raumhohe Fenstertür. Damit sich diese – nach innen – öffnen läßt, weist die Schreibtisch- platte einen viertelkreisförmigen Ausschnitt auf: genau in ihn hinein dreht sich also die Fenstertür! Edgar J. sen. konnte sich also beim Arbeiten an seinem Schreibtisch so gut mit Frischluft versorgen, daß es auch dazu gereicht haben dürfte, das frisch beschriebene Papier – einen leichten Durchzug vorausgesetzt – sofort hinaus und geradewegs bis an den Rand des Wasserfalls zu befördern: ein Umstand, für den der Hausherr (schließlich der Besitzer und Präsident von Pittsburghs größtem Warenhaus), wenn er es versäumt hatte, entsprechende Vorsorge zu treffen, sicherlich nicht wird umhin gekonnt haben, auf die eine oder andere Weise, im Stillen zumindest, den Architekten verantwortlich zu machen.

          In der Westwand befinden sich zwei Fenster, die auf die diesem Zimmer zugeordnete westliche Flügelterrasse gehen. Erreichen läßt sich die Terrasse über eine Tür am Westende der Nordwand des Zimmers. Von hier führt ein kurzer Außengang über drei Stufen zu der Terrasse hoch. Diese liegt also (als einzige des Hauses) nicht genau auf derselben Ebene wie das zugehörige Zimmer. Dies dürfte in der bereits erwähnten Auflage dieser Terrasse auf dem vorgegebenen nördlichen Felsbrocken begründet sein. Die Terrasse ist zudem über eine Außentreppe auch mit dem darüber liegenden Studio von Edgar Kaufmann jun. verbunden.

          Der offene Kamin befindet sich natürlich am südlichen Ende der Ostwand des Zimmers, dort, wo es an die zentrale Kaminwand grenzt. Er liegt dem am Schreibtisch Sitzenden im Rücken, während am linken Ende der Ostwand, jenseits des Bettes, eine Tür zu einem eigenen Badezimmer mit Badewanne führt, das nördlich des Flures gelegen ist.

          Das andere, etwas größere Schlafzimmer trägt entsprechend die Bezeichnungen „Mrs. K.“ bzw. master bedroom. Es weist mit seiner Fensterfront, die sich viertürig öffnen läßt, nach Süden auf die zentrale und größte Terrasse des ersten Stocks, die, wie wir gesehen haben den vorderen Wohnzimmerteil überdacht und sich bis zum gegenüber- liegenden Ufer über den Bach und den Wasserfall hinüberneigt. Auch diese Terrasse ist, wie alle drei Terrassen des ersten Stocks, weitaus größer als das ihr zugeordnete Zimmer! Mittig in der Westwand, genau über demjenigen des Wohnraumes, finden wir erneut einen großen offenen Kamin, links davon, am Fenster, einen Einbauschreibtisch, diesmal ohne Einschnitt für die Fensteröffnung, dafür aber mit einer Tischplatte, die sich wie eine der Sandsteinplatten in die rustikale Kaminwand schiebt. Am rechten Ende der Ostwand führt eine schmale Tür ins Badezimmer, das südlich desjenigen des Gästezimmers liegt und wie dieses zwischen die beiden Schlafbereiche geschoben ist. Die Trennwände zwischen den beiden Schlafzimmern und den Bädern bzw. Fluren sind nicht wie die tragenden Wände des Hauses dick und aus Sandsteinplatten, sondern dünn und aus verputztem und in der bekannten Farbe gestrichenem Beton. Beide Schlafzimmer haben jedoch zumindest eine rustikale Sandsteinplattenwand, so daß der im ganzen Haus gewohnte Anblick und Charakter der Wohnbereiche auch hier zumindest teilweise erhalten bleibt. Gerade die Kaminwand von „Mrs. K.“ ist besonders kunstvoll gemauert. Die Mauer verspringt in mehreren Staffelungen nicht nur zur Kaminöffnung zurück, sondern daneben auch zu einer großen Nische auf halber Höhe, in die eine Madonnenskulptur eingestellt ist. Durch rhythmischen Wechsel von zurückspringenden Quadern und vorstehenden dünnen Platten ist der Rand der Nische quasi ornamental eingefaßt. An anderen Stellen stehen dicke, schwere Einzelplatten weit aus der Wand vor und bilden regalartige Ablagen für Bücher, Zierteller oder Kamingeräte. Die sonst scheinbar zufällige Struktur der rustikalen Wände verwandelt sich in diesem Zimmer also in eine bewußt künstlerisch gestaltete.

          Das Badezimmer des master bedrooms hat als einziges der vier Badezimmer des Hauses eine Fensterfront, und zwar wie das zugehörige Schlafzimmer nach Süden, zur Terrasse hin. Es ist aber vom Gästezimmer, das keinen Zugang zur Südterrasse hat, nicht einzusehen. Und das – heute – altmodische Waschbecken, das in eine große Holzplatte vor dem Fenster eingelassen ist, ist gegen Einblicke von der Terrasse her „natürlich“ geschützt, durch Grünpflanzen, die in übereinander angeordneten Blumenkästen innen vor dem Fenster aufgereiht sind. Einzig das Gästezimmer hat Jalousien, wäre es doch sonst von der Südterrasse aus einsehbar.

          Beleuchtet werden die Schlafzimmer wiederum vorwiegend von Leuchtstoffröhren, die hinter Schrankwänden, über Zimmertüren und – vor dem Waschbecken – entlang der Fenstersprossen angebracht sind. Die Luftöffnungen der Heizkörper befinden sich in den Schreibtischen und in der Holzplatte des Waschtisches.

          Die schmale, wiederum aus nicht ganz regelmäßigen Sandstein- platten gemauerte Treppe in den zweiten Stock führt uns in den Bereich von Edgar Kaufmann jr. Schon die umfangreichen Bücherre- gale aus Nußbaumholz (auch sie ein Entwurf von Frank Lloyd Wright) auf der rechten Seite der Treppe, gegenüber der rustikalen linken Be- grenzungswand, kündigen uns an, daß wir in einen weitgehend den kunstwissenschaftlichen Studien gewidmeten Bezirk gelangen. Am oberen Ende der Treppe treten wir nach Süden in einen Gang hinaus, der über demjenigen der Kaufmanns sen. liegt, aber auf der südlichen Seite in seinem gesamten Verlauf offen ist, d.h. durch eine Abfolge von sechs Glastüren in die nach Süden ausgerichtete, aber hier oben längsoblonge Terrasse übergeht. Am östlichen Ende weitet sich der Gang in einen Schlafbereich, der durch seine Nähe zu dem sehr ungeschützten Gang und durch seine eigenen zwei Fensterseiten nach Süden und Osten einen so exponierten, d.h. potentiell dem Wind und der Kälte preisgegebenen, geradezu adlerhorstartigen Charakter hat, daß man zu der Vermutung gelangen muß, er sei von Wright ursprünglich nicht als Schlafbereich gedacht gewesen – was auch tatsächlich nicht der Fall war.

          Ganz anders dagegen das Studio im Turm, über dem Schlafraum von „Mr. K.“. Im Gegensatz zu letzterem besitzt es nur zwei schmale Türen, die Zugangstür vom Gang und eine ihr genau gegenüberlie- gende, die über die Außentreppe zur darunter gelegenen Westterras- se führt. Das Badezimmer ist, obwohl genau über demjenigen des dressing rooms gelegen, hier vom Gang aus zugänglich – entspre- chend der Lage des Schlafbereichs.

          Das Studio bietet an seiner Nordwestecke reichlich Platz für weitere Bücherregale, deren Nußbaumbretter sich wiederum in die unregelmäßigen Wände hineinschieben wie die Sandsteinplatten selbst. Am Fenster finden wir wieder einen Einbauschreibtisch mit dem uns schon vertrauten viertelkreisförmigem Fenstertürausschnitt. Auch dieses Zimmer verfügt neben den Heizkörpern im Schreibtisch über einen offenen Kamin am rechten Ende der Ostwand. Von den anderen Kaminen des Hauses hebt er sich durch eine hängend über ihm angebrachte, quadratische, rote Steinplatte ab. Sie wurde bei den Steinbrucharbeiten (die nicht weit vom Haus stattfanden) entdeckt und als besonderer Akzent dieses Raumes hier plaziert.

          Von einem behaglichen Sessel aus, aufgestellt zwischen Kamin und Schreibtisch, hat man in diesem Studio den besten Ausblick in die umgebende Landschaft: über die kaskadenartig fortschreitenden Sandsteinterrassen und Wasserfälle von Bear Run und die von Rhododendron und Berglorbeer bestandene Lichtung der Schlucht hinweg, hinein in das undurchdringliche Grün, das schillernde Goldgelb oder das scharfkonturierte Schwarzweiß des Waldes, je nach den Gegebenheiten der Jahreszeit.

 

 

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